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Rauchen und die Folgen fürs Kind

Ein Interview mit Dr. med. dent. Claudia Bauer-Kemény von der Rauchersprechstunde der Thoraxklinik Heidelberg

Rauchen ist schädlich fürs Kind – egal ob während der Schwangerschaft oder später. Dennoch wird immer wieder in Frage gestellt wie schädlich es tatsächlich ist und ob ein kalter Entzug nicht noch schädlicher für´s Kind ist als weniger zu rauchen. Diese Fragen und mehr wollen wir heute zusammen mit Dr. Bauer-Kemény beantworten.

Rauchen in der Schwangerschaft

Welche Risiken bergen das Rauchen in der Schwangerschaft und im Wochenbett/der Stillzeit?

Tabakrauch enthält mehr als 4800 chemische Substanzen von denen hunderte giftig bzw. krebserregend sind. Ein großer Teil dieser Schadstoffe gelangt über die Plazenta in den Blutkreislauf des Kindes. Dadurch raucht das ungeborene Kind automatisch mit.

Die Schadstoffe beeinträchtigen die Versorgung des sich entwickelnden Kindes mit Sauerstoff und Nährstoffen, wodurch empfindliche Prozesse beim Wachstum und bei der Reifung gestört werden. Kinder von Müttern, die während der Schwangerschaft rauchen:

  • sind meist kleiner, haben einen geringeren Kopfumfang und ein geringeres Geburtsgewicht.
  • haben ein höheres Risiko für Früh- und Totgeburten.
  • haben ein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen.

Nach der Geburt:

  • Ist das Risiko für den plötzlichen Kindstod (SIDS) erhöht.
  • Bei den Kindern von starken Raucherinnen treten sogar manche Krebsformen häufiger auf.
  • Auch Verhaltensauffälligkeiten können vermehrt auftreten.
  • Raucht eine Frau über die gesamte Schwangerschaft hinweg, hat das Kind nach seiner Geburt Probleme mit dem Nikotin-Entzug. Typisch sind Schreikrämpfe, Kopfschmerzen und starke Unruhe in den ersten zwei Lebenswochen.

Auch für die Mutter birgt das Rauchen in der Schwangerschaft zusätzliche Risiken wie ein häufigeres  Auftreten von Thrombosen und Schlaganfällen. Mit der Geburt verschwinden die Risiken aber nicht einfach, denn auch in der Stillzeit ist das Rauchen schädlich für das Baby.

Rauchen in der Stillzeit
  • Rauchen während der Stillzeit scheint zu weniger Milchbildung zu führen.
  • Die Zusammensetzung der Muttermilch wird negativ beeinflusst. Bei rauchenden Müttern enthält sie weniger Fett, weniger Proteine und weniger Vitamin C und E.
  • Viele der zahlreichen schädigenden Substanzen der Zigarette treten in die Muttermilch über und liegen dort in gleicher Konzentration wie im mütterlichen Blut vor.
  • Wenn stark geraucht wird, ist beim Kind ein reduziertes Saugvermögen, Unruhe und schlechter Schlaf (durch erhöhten Puls), Koliken, Erbrechen und eine geringere Gewichtszunahme zu beobachten.
  • Das Baby nimmt über die Milch das Nikotin auf und braucht 3-4x so lange wie die Mutter, um es wieder abzubauen.
  • Muttermilch hat einen schützenden Effekt gegen Atemwegserkrankungen. Dieser entfällt durch das Rauchen während der Stillzeit.

Ist es sinnvoll von heute auf morgen mit dem Rauchen aufzuhören? Welche Risiken entstehen bei einem kalten Entzug?

Es ist auf jeden Fall sinnvoll von heute auf morgen mit dem Rauchen aufzuhören. Denn jede einzelne Zigarette ist schädlich. Risiken bei einem kalten Entzug entstehen keine. Das einzige was passieren kann ist, dass man etwas nervöser, ungeduldiger, reizbarer und ruheloser wird. Aber das in der Regel auch nur für ein paar Tage.

Viele schaffen es in der Schwangerschaft mit dem Rauchen aufzuhören, fangen danach aber wieder an. Studien zeigen, dass man lieber rauchend stillen soll als nicht zu stillen. Auf was sollte man hier speziell achten?

Einheitliche Meinungen zu der Stillsituation einer rauchenden Mutter existieren nicht. Auf der einen Seite sind ja die großen Vorteile des Stillens auf die Entwicklung des Kindes bekannt, andererseits ist aber der Übertritt toxischer Substanzen in die Milch und Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung zu befürchten.

Bei starken Raucherinnen (ab 10-15 Zig) kommt es zu verspätetem Milcheinschuss und zur verminderten Milchproduktion. Hier besteht ein deutlicher Zusammenhang mit der Zahl der gerauchten Zigaretten. Auf das Stillen zu verzichten ist der falsche Weg. Passivrauchende Babys, die nicht gestillt wurden, hatten das größte Risiko für den plötzlichen Kindstod. Am besten die Zigarettenzahl während der Stillzeit so stark reduzieren wie möglich und mind. 30 Minuten vor dem Stillen auf Zigaretten ganz verzichten. Und niemals in der Nähe des Kindes rauchen!

Jede gerauchte Zigarette ist potenziell schädlich für Mutter und Kind.

Wie hoch ist das Risiko für eine Schädigung des ungeborenen Kindes durch Passivrauchen?

Nicht nur das Rauchen selbst, auch Passivrauchen ist für eine werdende Mutter und ihr Kind schädlich. Darum wird Schwangeren empfohlen, sich so gut es geht von rauchenden Personen fernzuhalten. Eine belgische Studie hat z.B. gezeigt, dass die Zahl der Frühgeburten im vergangenen Jahrzehnt zurückgegangen ist, während das Rauchverbot in öffentlichen Räumen schrittweise verschärft wurde.

Und wie hoch ist das Risiko für Neugeborene und Kleinkinder?

Kinder reagieren auf Passivrauch noch empfindlicher als Erwachsene. Dadurch, dass sie schneller atmen, nehmen sie mehr Gift auf und das bei viel geringerem Körpergewicht. Zudem sind ihre Entgiftungsorgane noch nicht richtig ausgereift und können daher Schadstoffe schlechter abbauen. Passivrauchende Kinder haben oft Husten oder Asthma, sind anfälliger für Infekte wie z.B. Mittelohr- oder Lungenentzündung und haben häufiger Allergien. Außerdem ist das Risiko für den plötzlichen Kindstod erhöht. Kinder aus Raucherhaushalten sind 2-4x so häufig betroffen. Eine Untersuchung des DKFZ hat außerdem gezeigt, dass Kinder, deren Eltern rauchen, ein erhöhtes Risiko haben, an Krebs zu erkranken.

Zu beachten ist auch, dass sich der Rauch auf Boden und Wänden, Spielzeug und Kleidung niederschlägt und sich dort hartnäckig hält. Dies ist der sogenannte third hand smoke. Kinder stecken vieles in den Mund und krabbeln über den verseuchten Boden und nehmen dann so die Schadstoffe auf.

Sind E-Zigaretten weniger schädlich?

E-Zigaretten sind wahrscheinlich weniger schädlich als Tabakzigaretten. Das bedeutet aber nicht, dass sie gesundheitlich unbedenklich sind. Es wurden mittlerweile auch viele giftige und krebserregende Substanzen in E-Zigaretten nachgewiesen. Und auch diese Schadstoffe gelangen über den Blutkreislauf in den Körper des ungeborenen Kindes.

Die E-Zigarette in der Schwangerschaft ist keine Lösung für das Suchtverhalten. Auch die nikotinfreien E-Zigaretten sind nicht ohne Gefahr. Sie können laut aktuellen Studien zu akuten Entzündungen im Lungengewebe des Ungeborenen führen.

Ich habe nicht gewusst, dass ich schwanger bin und habe mehrere Zigaretten geraucht. Habe ich meinem Kind dadurch geschadet?

Es gibt keinen Zeitpunkt, ab dem man sagen kann: Ab jetzt ist Rauchen für das Kind gefährlich. Jede gerauchte Zigarette ist potenziell schädlich für Mutter und Kind.

Wo finden Schwangere Hilfe?

Über ihre Krankenkasse können Schwangere erfahren, wo sie Unterstützung zur Raucherentwöhnung bekommen können. Suchtberatungsstellen bieten z.B. Raucherentwöhnungskurse an. Auch die Thoraxklinik in Heidelberg hat eine Tabakentwöhnungssprechstunde. Zudem gibt es von der BzgA eine telefonische Unterstützung zur Tabakentwöhnung. Außerdem, gibt es Apps, wie z.B. die Nichtraucherhelden-App, die man auf Rezept bekommen kann sowie online Programme, die beim Rauchstopp unterstützen können.

Hilfreiche Links:

Was sind ihre 3 Tipps für rauchende Schwangere und ihre 3 Tipps für rauchende Wöchnerinnen?

Da gibt es eigentlich nur einen Tipp: Unbedingt das Rauchen sein lassen und auf eine rauchfreie Umgebung achten. Um das zu schaffen empfehle ich:

  1. Unbedingt professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Lassen Sie sich beim Rauchausstieg helfen. Wichtig ist, dass die Programme einen verhaltenstherapeutischen Ansatz verfolgen und keine Medikamente zur Rauchentwöhnung eingesetzt werden.
  2. Bitten Sie auch Ihren Partner/Ihre Partnerin, Freunde, Eltern, Nachbarn*innen und Kolleg*innen Sie dabei zu unterstützen das Rauchen aufzugeben und weder in Ihrer noch in der der Nähe Ihres Babys zu rauchen.
  3. Überlegen Sie sich, was Ihnen statt der Zigarette guttun könnte. Schaffen Sie Alternativen und denken Sie immer an den Slogan der Aktion Sorgenkind: „Sie können auf alles verzichten nur nicht auf ein gesundes Kind!“
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1 Kommentar

  1. Oktober 31, 2023 / 9:06 am

    Ich hatte jahrelang geraucht, doch mit dem größten „Warum?“ zum Aufhören – unser Baby – fiel es mir wirklich leicht aufzuhören. Auch wenn es manchmal wirklich echte Willenskraft bedeutet hatte!

    Ich habe mich schon öfters gefragt, wenn jemand es nicht von alleine schafft wäre eine Hypnose-Therapie in der Schwangerschaft auch eine Möglichkeit? Oder sind Hypnosen nicht gut für Schwangere? Da würde mich eure Antwort wirklich interessieren.

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