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Achtsamkeit als Schlüssel zur Eltern-Kind-Bindung

Ein Gastbeitrag mit Werbeplatzierung von Marei Theunert


Warum Achtsamkeit und Selbstregulation gerade für Eltern von (hoch-)sensiblen Babys wichtig ist.
Anna hatte sich sehr auf ihr erstes Kind gefreut. Sie hatte alles gut vorbereitet, hatte ein schönes Zimmer für ihren Sohn eingerichtet, hatte Bücher gelesen über das Verhalten und Bedürfnisse von Babys. Sie wusste, dass Babys Nähe brauchen, gerne getragen werden, und dass der Begriff „Bonding“ für den ersten Schritt für eine sichere Bindung und eine stabile Beziehung zu ihrem Kind stand.
Aber dann kam es – anders.


Anna hatte das Gefühl, gut Bescheid zu wissen. Und dann kam ihr Sohn Max auf die Welt. Leider ganz anders als gewollt, per Notkaiserschnitt und das erste Bonding blieb aus. Doch Anna versuchte schnell alles nachzuholen. Trotzdem fühlte es sich so ganz anders an als gedacht. Max schrie schon viel im Krankenhaus. Nie lag er im Beistellbett und schlief nur auf Anna. Beruhigen ließ er sich höchstens durchs stillen. Alles ganz normal, dachte Anna und auch ihre Hebamme erzählte ihr, dass es normal ist, dass Babys Zeit brauchen, um auf der Welt anzukommen. Doch auch nach 5 Monaten änderte sich nichts. Anna fühlte sich immer hilfloser und erschöpfter.

Jedes 8.-10. Baby kommt deutlich sensibler und/oder temperamentvoller auf die Welt. Sie scheinen ständig unzufrieden zu sein und ihre Eltern bekommen schnell das Gefühl, sie haben ein 24-Stunden- Baby. Oft werden diese Familien zuerst vertröstet, denn in den ersten Wochen steigt die Dauer des Weinens meist stark an. Das liegt vor allem daran, dass sich Babys tatsächlich erst einmal an die neue Welt gewöhnen müssen. Während sie im Bauch rundherum versorgt waren, spüren sie nun das erste Mal Hunger, Kälte, Wärme und auch ihre Verdauung. Bei den meisten Babys wird diese intensive Zeit nach ungefähr 3 Monaten entspannter und ihr Baby lässt sich, wenn seine Bedürfnisse erkannt werden, gut beruhigen und es ist in der Nähe seiner Bindungsperson rundum zufrieden.

Sensiblen Babys reicht dies jedoch meist nicht aus. Viele Eltern finden sich plötzlich nächtelang hüpfend auf einem Pezziball wieder, übermüdet und überfordert von dieser starken Intensität ihres Kindes. Während oft noch von Dreimonatskoliken und Schreibabys gesprochen wird, verbreiten sich gleichzeitig immer mehr die Begriffe Regulationsstörung, Highneed und Hochsensibel.

Was macht besonders sensible Babys aus?

All diese Definitionen beschreiben Babys, die sehr unruhig und getrieben wirken. Werden ihre Bedürfnisse nicht sofort gestillt, reagieren sie mit exzessiven Weinen.

Gleichzeitig fällt es ihnen wahnsinnig schwer zur Ruhe zu kommen, sie haben oft schon von Geburt an weit aufgerissene Augen, die alles um sich herum aufsaugen. Somit fällt es den meisten sensiblen Kindern wahnsinnig schwer, in den Schlaf zu kommen, und brauchen dafür viel Nähe, Begleitung und Sicherheit durch ihre Bindungsperson. Was ihr Kind dann besonders braucht, ist für Eltern oft kaum erkennbar. Sensible Babys wirken oft sehr unberechenbar. Die Art ihres Weinens, die Lautstärke und vor allem die Intensität, mit der sie bereits von Anfang an eine umfassende Versorgung für sich einfordern, bringt Eltern schnell an ihre Grenzen.

Und genau hier liegt eine besonders große Herausforderung. Denn auch wenn Eltern als Erstes immer wissen wollen, wie sie ihrem Kind helfen können, ist es wichtig, bei ihnen selbst zu beginnen.

Ein Kind zu begleiten, was sehr intensiv, laut, unberechenbar und fordernd ist, kann bei der Bindungsperson großen Stress auslösen. Denn egal, wie gut reguliert das Nervensystem eines Menschen ist, Dauerstress, gepaart mit Schlafmangel und körperlicher Belastung u.a. durch das viele Tragen, wirkt sich stark auf das Stresstoleranzfenster eines Menschen aus.


Wenn Eltern an ihre Grenzen kommen – gehen sie darüber hinaus

Das Stresstoleranzfenster symbolisiert einen Bereich, in dem der Mensch mit Stress umgehen kann. Dieses Fenster kann aufgrund von eigenen Erfahrungen, Erlebnissen, Resilienzen und Ressourcen größer oder kleiner sein. Das mag auch der Grund sein, warum ein Elternteil eine Zeit lang ihr Kind ruhiger begleiten kann, als der andere. Doch egal, wie weit oder wie eng das Fenster ist, so lange ein Mensch genug Ressourcen, Auszeiten und Möglichkeiten der Selbstregulation besitzt, kann er es gut schaffen, in seinem tolerierten Bereich zu verweilen.

Fallen jedoch immer mehr Resilienzen weg, werden Grenzen nicht gewahrt und die eigenen Ressourcen übersehen, steigt das Stressniveau immer mehr an und kommt an die Grenzen des Toleranzfensters. Das bedeutet, dass ab diesem Moment das menschliche Gehirn nicht mehr in der Lage ist, kognitiv klar zu denken. Es befindet sich nun im Gefahrenmodus. Diese ist durch starke Anspannung und hohe Aufmerksamkeitsbereitschaft gekennzeichnet.

Befinden sich Menschen in diesem Stadium, wird es ihnen enorm schwer fallen, sich zu entspannen oder zur Ruhe zu finden. Stattdessen warten sie nur auf die nächste Gefahr, die kommen wird – in diesem Fall erneute Unzufriedenheit, lautes Weinen oder Klammern ihres Kindes.

Irgendwann wird auch dieser Zustand der sogenannten Vigilanz nicht mehr tragbar, und das Gehirn schaltet alle unnötigen Funktionen ab und es bleibt nur noch die Möglichkeit Flucht, Kampf oder Erstarrung.

1. Flucht

Es gibt natürlich reale Situationen, in denen ein Elternteil mit dem Baby alleine ist. Hier ist Flucht in den meisten Fällen (s.u.) sicher keine Option. Doch auch wenn es Unterstützung aus der Familie gibt, fällt es den meisten Bindungspersonen schwer, diese anzunehmen. Zum einen, da sensible Babys meist bei Trennung bitterlich weinen und sich von anderen noch schwerer beruhigen lassen. Zum anderen, weil viele Eltern Angst haben, dass ihr Umfeld nicht zeitnah auf die Bedürfnisse ihres Babys eingehen werden. Der Fluchtimpuls wird also unterdrückt.

2. Kampf

Wenn Flucht keine Option mehr ist, steht die nächste Option an. Natürlich wird nun erstmal jeder laut aufschreien “Niemand kämpft doch gegen ein Baby!”. Hier besteht  jedoch – bei Bezugspersonen mit geschwächter Impulskontrolle – die Gefahr, dass das Baby aus Verzweiflung und völliger Überforderung geschüttelt wird (Sollte so ein Gedanke aufkommen, ist es absolut vertretbar, das Baby an einem sicheren Ort abzulegen und für einen Moment das Zimmer zu verlassen, um sich wieder zu regulieren!). Auch wenn der Gedanke nicht aufkommt, haben sich doch einige Eltern schon mal in so einer Situation wiedergefunden, wo starke Gefühle von Wut und/oder Aggression aufgekommen sind. Dies zeigt auch die unglaubliche Überlastung und Hilflosigkeit der Eltern. Meist werden diese Gefühle schnell weggedrückt, da sie Schuld und Scham auslösen, und so kann es zum 3. Zustand kommen.

3. Erstarrung

Wenn die Gazelle, die von dem Löwen gejagt wird, keine Möglichkeit mehr hat zu fliehen oder zu kämpfen, dann erstarrt sie in der Hoffnung, der Löwe nimmt an, sie sei tot. Da im Gefahrenzustand nur noch unser animalisches Gehirn funktioniert, ist diese Reaktion die einzige, die noch bleibt.

Was bedeutet das für Eltern von sensiblen Babys?

Wenn Eltern sich selbst vergessen und nur noch für ihr Baby sorgen, gehen sie über ihre Grenzen. Hier ist es nicht mehr möglich, in Beziehung und Verbindung zu gehen – weder zu sich selbst, noch zu dem eigenen Kind. Im Ernstfall können psychische Erkrankungen wie Anpassungsstörungen, Depressionen und Ängste entstehen. Dies zeigt, wie wichtig es ist, dass Eltern – besonders mit sensiblen Babys, regelmäßig gut für sich sorgen. Eigenen Ressourcen wahrnehmen und diese nutzen, Selbstregulation und Achtsamkeit sind hier die Schlüssel.

Möglichkeiten im Alltag können zum Beispiel sein:
  • Achtsamer Atmen: Atme bewusst in den Bauch hinein, kreise deine Schultern, wenn du willst oder lass sie bewusst entspannt hängen.
  • Kleine Yogaübungen auf dem Boden: Besonders die Haltung des Kindes ist sehr entspannend für Schultern und Rücken, die jeden Tag stark beansprucht werden.
  • Orientierung im Hier und Jetzt: Nimm bewusst deine Umgebung wahr. Lass deinen Blick langsam und achtsam durch das Zimmer gleiten. Lass seine Augen auf Dingen ruhen, die dir gut tun.
  • Fokus setzen: Sammle in einem Glas deine Glücksmomente. Oft fühlt es sich im Alltag an, als wäre es immer anstrengend. Sicher gibt es zwischendurch Augenblicke, die schön und wohltuend sind. Richte deine Aufmerksamkeit regelmäßig darauf.

Im Buch “Mein sensibles kleines Wunder” von Marei Theunert finden sich noch mehr wertvolle Übungen, die im Alltag mit einem sensiblen Baby gut anwendbar sind. Gleichzeitig finden Familien von hochsensiblen, gefühlsstarken und high-need Kindern im Mitgliederbereich von www.gefuehlvolle-Familien.de neben dem Austausch mit anderen Eltern, einer monatlichen Elternsprechstunde und Expertentalks, auch eine große Anzahl an Impuls- und Entspannungsvideos.

Es mag sein, dass Entspannungsmomente in dem ein oder anderen Elternteil erst einmal Unruhe auslösen. Das ist ganz normal, wenn das Nervensystem eine Zeit lang auf Daueranspannung war. Es braucht Zeit, um wieder zur Ruhe zu finden. Aber es lohnt sich. Denn nur ein disreguliertes Nervensystem kann andere Nervensysteme in Schwingung bringen und anstecken. Das bedeutet, wenn Eltern selbst dauerhaft angespannt sind, kann sich das auf ihr Kind übertragen. Achtung: Dieser Satz kann oft Schuldgefühle auslösen. Das bedeutet nicht, dass entspannte Eltern per se entspannte Kinder haben. Aber gut regulierte Eltern sind in der Lage ihre Kinder fürsorglich zu Co-regulieren, was sensiblen Babys und Kindern enorm hilft, ihre eigene Resilienzen aufzubauen.

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4 Kommentare

  1. Caro
    November 14, 2023 / 9:08 pm

    Dieser Beitrag hat mir jetzt richtig Angst und Sorge bereitet ein sensibles Baby zu bekommen und damit überfordert zu sein. Super. Mut konnte ich keinen daraus ziehen. Hätte ich das bloß nicht gelesen.

    • hallohebamme
      November 22, 2023 / 10:39 am

      Hallo Caro,

      tut uns leid, dass der Beitrag das bei dir ausgelöst hat. Wir wollen dir auf keinen Fall Angst damit machen. Mit welchem Charakter ein Kind auf die Welt kommt, bleibt eine Überraschung. Uns geht es immer darum aufzuklären, damit ihr gut vorbereitet seid und wisst, wie ihr auch mit solchen Situationen umgehen könnt. Wir wollen euch damit Kompetenzen zusprechen und euch bestärken. Wir wünschen dir alles Gute!

      Ganz liebe Grüße
      Anja und Marie

  2. Sabine
    Januar 4, 2024 / 11:02 pm

    Hallo,
    herzlichen Dank für den Beitrag. Ich habe mich im Beitrag wiedergefunden, denn meine Tochter (geb. 2016) war genauso, wie im Beitrag beschrieben und ich konnte sie auch niemandem anvertrauen. Auch sie kam per Kaiserschnitt auf die Welt.
    Die Kinderärztin hatte mich ebenfalls jedesmal vertröstet gehabt, es seien doch lediglich Koliken. Ich hatte ein Medikament nach dem anderen bekommen, aber nichts half.
    Meine Nachbarin hatte mir dann glücklicherweise eine ostheopatische Praxis empfohlen. Es war wie ein Wunder, das Baby, dass Gefühlt 24h geweint hatte, hatte aufgehört zu weinen.
    Sie hatte leider sowohl am Becken, als auch am Nacken eine Blockade. Es hatte sich herausgestellt, dass die Blockaden, mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit durch die nicht einfache Entbindung verursacht worden waren.
    Danach hatte sie sich nur noch dann gemeldet, wenn es wirklich mal was gab.
    Ich wünsche jedem Elternteil viel Geduld in solch einer Situation und traut euch ruhig Hilfe anzunehmen und sei es nur, dass jemand bei euch kocht oder den Müll rausbringt.
    Natürlich wäre es schön, wenn ihr jemanden findet, der in eurer Anwesenheit auf das Baby achtet, dass hatte mir damals am meisten geholfen.
    In den meisten Städten gibt es aber auch Anlaufstellen, zu denen man hingehen kann.

    • hallohebamme
      Januar 11, 2024 / 11:51 am

      Hallo Sabine,

      vielen Dank fürs Berichten deiner Erfahrungen. Das ist so wertvoll für andere Eltern.

      Alles Liebe
      Anja & Marie

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