Kolostrum ist die erste Milch des Körpers und ein echtes Wunder der Natur. Sie steckt voller Antikörper, ist leicht verdaulich und unterstützt das Baby in den ersten Stunden und Tagen bei einem guten Start ins Leben. Viele Frauen fragen sich daher, ob sie schon gegen Ende der Schwangerschaft etwas Kolostrum sammeln sollten. Die Antwort darauf lautet: Ja, das kann eine wertvolle Unterstützung sein. Gleichzeitig gibt es aber auch Empfehlungen dazu, wie, wann und für wen das sinnvoll ist. In diesem Beitrag gehen wir diese Punkte gemeinsam mit euch durch.
Kolostrum sammeln, aus welchen Gründen?
Kolostrum wirkt ganz unscheinbar, ist aber ein wahres Kraftpaket. Es stabilisiert den Blutzuckerspiegel und schützt das Baby durch eine besonders hohe Menge an Immunglobulinen, die eine zentrale Rolle für das Immunsystem spielen. Ein kleiner Vorrat kann deshalb besonders dann hilfreich sein, wenn ein Neugeborenes nach der Geburt etwas zusätzliche Unterstützung benötigt:
- Schwangerschaftsdiabetes: Babys von Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes neigen dazu, nach der Geburt zu unterzuckern. Sollte der Blutzuckerspiegel dann tatsächlich rasch abfallen, kann das Baby direkt mit der nährstoffreichen Milch versorgt und der Blutzucker besser wieder stabilisiert werden.
- Wenn Mama und Baby voraussichtlich kurz getrennt sind: Zum Beispiel bei einer geplanten Bauchgeburt oder einem möglichen Aufenthalt in der Kinderklinik.
- Saugschwäche: Für den Fall, dass das Baby nach der Geburt zunächst noch Schwierigkeiten beim Saugen hat, kann das Gewinnen von Kolostrum eine tolle vorsorgliche Unterstützung sein.
In diesen Fällen kann das vorab gesammelte Kolostrum dem Baby mit einer kleinen Spritze, einem Löffel oder einem Becherchen gegeben werden und hilft dabei, Ersatznahrung zu vermeiden.
Wichtig ist aber: Kolostrum zu sammeln ist niemals Pflicht. Es kann eine wertvolle Option für Mamas sein, die schon während der Schwangerschaft davon ausgehen, dass sie beim Stillbeginn etwas Unterstützung brauchen oder die sich einfach noch besser vorbereitet fühlen möchten. Du darfst aber auch ganz ohne schlechtes Gewissen darauf verzichten!
Ab wann darf ich starten?
Es wird empfohlen, frühestens ab der 37. Schwangerschaftswoche mit dem Sammeln von Kolostrum zu beginnen. Viele Hebammen raten sogar eher zur 37.-38. SSW. Vorher sollte Kolostrum nicht aktiv gewonnen werden, da dies die Ausschüttung von Oxytocin anregen könnte. Oxytocin kann wiederum Wehen auslösen, d.h. vorher bestünde ein unnötiges Risiko für vorzeitige Wehen oder sogar eine Frühgeburt. Ab 37+0 SSW gilt das Baby aber als termingerecht. Leicht wehenfördernde Effekte durch das Gewinnen von Kolostrum sind dann unbedenklich.
Wer darf Kolostrum gewinnen?
Kolostrum zu gewinnen kann für viele Frauen eine tolle Möglichkeit sein, um sich auf das Stillen vorzubereiten und schon während der Schwangerschaft einen kleinen Vorrat an Muttermilch anzulegen.In manchen Situationen ist das jedoch nicht empfehlenswert, besonders, wenn eine erhöhte Wehenbereitschaft besteht/schon einmal bestanden hat. Das ist zum Beispiel bei vorzeitigen Wehen, einem verkürzten Gebärmutterhals oder einer vorangegangenen Frühgeburt der Fall.
Auch bei folgenden medizinischen Faktoren solltest du beim Gewinnen von Kolostrum vorsichtig sein und vorher immer Rücksprache mit einem Arzt/einer Ärztin halten:
- Placenta praevia
- Ungeklärte Blutungen
- Mehrlingsschwangerschaft mit Wehentendenz
- Infektionen oder Verletzungen im Brustbereich
Außerdem gilt: Wenn deine Hebamme oder dein Arzt/deine Ärztin dir von der Bruststimulation abrät, gilt das gleiche auch für das Gewinnen von Kolostrum während der Schwangerschaft.
Kolostrum ausstreichen
Damit das Kolostrum gut fließen kann, sind vor allem Ruhe, Wärme und saubere Hände wichtig. Eine kurze, sanfte Brustmassage vor dem Ausstreichen kann den Milchfluss zusätzlich unterstützen. Hier zeigen wir dir in einem Video, wie das geht. Die Brustwarzen desinfizieren musst du vorab nicht, gründliches Händewaschen reicht völlig aus.
Kolostrum wird ausschließlich mit der Hand gewonnen, da der Milchfluss während der Schwangerschaft noch sehr fein dosiert ist. Und so geht’s:
- Platziere Daumen und Zeigefinger einige Zentimeter hinter dem Warzenhof.
- Drücke die Finger sanft nach hinten in Richtung Brustkorb und rolle sie dann leicht nach vorne. Wichtig: Nicht zerren oder ziehen!
- Nun kannst du die Tropfen, die aus der Brust kommen, in einer Kolostrum-Spritze (ein Beispiel siehst du auf dem Foto unten) oder einem vorbereiteten Behälter auffangen.

Hebammentipp
Hab keine Panik, wenn es nicht sofort klappt! Atme einige Minuten tief durch, nimm dir ein warmes Bad oder probier’ es an einem ruhigen Abend nochmal. Versuche, es ganz entspannt anzugehen, das allein kann oft schon helfen, den Milchfluss anzuregen. Und wenn du Hilfe brauchst, kannst du deine Hebamme jederzeit um Unterstützung bitten.
Oft kommen nur ein paar Tropfen Kolostrum heraus, und das ist völlig normal. Du kannst beide Brustseiten abwechselnd für je maximal 10-15 Minuten ausstreichen und das insgesamt 1-2 mal pro Tag. Zum Auffangen der Muttermilch kannst du dann spezielle 1-2 ml Spritzen verwenden. Am besten eignen sich dafür sterile Einmalspritzen mit einer Verschlusskappe, die du in der Apotheke, Online und häufig auch direkt in der Geburtsklinik bekommst. Falls du gar keine andere Möglichkeit hast, sind auch ein kleines Glasgefäß, ein steriler Becher oder ein Muttermilchschälchen mögliche Alternativen. Wichtig ist aber, dass du diese vorher auskochst bzw. steril machst.
Hebammentipp
Egal ob du dich für die Spritze oder ein anderes Gefäß entscheidest: Versieh’ es mit Name, Datum und Uhrzeit, zu dem du gesammelt hast, sowie der Menge an Kolostrum. So behältst du jederzeit den Überblick und weißt später genau, wie lange die Milch noch haltbar ist.
Ganz wichtig: Wringe niemals Kolostrum aus einer Stilleinlage aus! Sie können Hautkeime, Schweiß, Textilfasern oder Reste von Cremes enthalten und sind nicht steril. Für die Aufbewahrung des Kolostrums sollten immer nur saubere, sterile Behälter genutzt werden.
Die Lagerung
Frisch gewonnenes Kolostrum sollte am besten direkt eingefroren werden. Im Gefrierschrank bei etwa -18 °C ist es dann bis zu sechs Monate haltbar. Wenn du das Kolostrum in die Klinik bringen möchtest, eignet sich eine Kühltasche mit Kühlakkus gut für den Transport. Viele Kliniken freuen sich, wenn du vorher kurz Bescheid gibst, dass du Kolostrum mitbringst. Oft bieten sie sogar die Möglichkeit, das Kolostrum direkt im Gefrierfach zu lagern, sodass die Kühlkette nicht unterbrochen wird.
Das aufgetaute Kolostrum kann im Kühlschrank noch bis zu 24 Stunden aufbewahrt werden; erneut einfrieren solltest du es aber nicht. Wenn du es deinem Baby gibst, sollte es zudem immer körperwarm sein.
Wie viel Kolostrum wird eigentlich benötigt?
In der Schwangerschaft kommen oft nur einige Tropfen aus der Brust und diese reichen völlig aus. Denn Kolostrum ist besonders nährstoffreich und hochkonzentriert. Bereits ein Milliliter enthält eine wertvolle Portion an Inhaltsstoffen, die für dein Baby in den ersten Stunden nach der Geburt eine große Wirkung haben. In dieser Phase trinkt ein Neugeborenes ohnehin nur winzige Mengen pro Mahlzeit, sodass auch wenige Tropfen absolut genügen.
Kolostrum zu sammeln kann eine tolle Möglichkeit sein, um sich auf besondere Situationen vorzubereiten. Aber sie ist weder ein Muss noch eine Voraussetzung für einen guten Stillstart. Viele Frauen stillen völlig problemlos, ohne vorher je einen Tropfen gesammelt zu haben. Wenn du dich dafür entscheidest, achte auf den passenden Zeitpunkt, gute Hygiene und darauf, das ganze mit Ruhe und Vertrauen in deinen Körper anzugehen. Und denk’ dran: Jedes kleine Tröpfchen zählt!
ABOUT

Wir sind Anja & Marie, zwei Hebammen aus Leidenschaft.
In Deutschland herrscht derzeit ein großer Mangel an Hebammen. Dieses Problem bekommen wir nahezu täglich in unserer Arbeit zu spüren. Viele Familien fühlen sich gerade in dieser besonderen Zeit mit ihren Fragen rund um die Schwangerschaft, das Wochenbett und ihrem Kind allein gelassen.
Daher haben wir uns entschieden, dir bei all deinen Problemen unterstützend mit unserem Blog zur Seite zu stehen, damit du alles nachlesen und loswerden kannst, was dich und dein Kind betrifft.
Viel Spaß beim Lesen!
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