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Stillen als Verhütungsmittel?

(Ein Gastbeitrag von PD Dr. Ruben Kuon)

Die Frage nach Sexualität und Verhütung nach einer Geburt ist oft von großer Unsicherheit begleitet. Neben dem Zeitpunkt, an dem eine erneute Verhütung notwendig wird, bestehen auch Unklarheiten der Stillverträglichkeit der verschiedenen Methoden. Und ist nicht auch Stillen eine sicheres Verhütungsmittel? Diese und weitere Fragen wollen wir in diesem Beitrag beantworten.

Wie beeinflusst Stillen die Fruchtbarkeit?

Hierbei sind verschiedene Hormone beteiligt, die durch das Stillen ausgeschüttet werden. Vor allem dem Hormon Prolaktin kommt eine entscheidende Rolle zu. Durch erhöhte Spiegel dieses Botenstoffes wird die Ausschüttung anderer Hormone, welche den weiblichen Zyklus steuern und eine Follikelreifung und schlussendlich Eisprung auslösen, vermindert. Mit jeder Stillmahlzeit wird Prolaktin ausgeschüttet, sodass die Prolaktinspiegel phasenhaft ansteigen und abfallen. Dies beeinflusst damit auch, wann die Regelblutung nach Geburt auftritt.

Stillen als Verhütungsmittel

Wann kommt die erste Periodenblutung nach der Geburt?

Das kann pauschal nicht beantwortet werden, da es von zwei wesentlichen Faktoren abhängt:

  • Häufigkeit des Stillens: Je häufiger und intensiver gestillt wird, desto eher wird ein Eisprung unterdrückt. Dies führt zum Ausbleiben der Regelblutung (= Amenorrhoe), was dann als Still- oder Laktationsamenorrhoe bezeichnet wird.
  • Individuelle Unterschiede der hormonellen Regulation: Die Dauer der Stillamenorrhoe kann bei manchen Frauen einige Monate, bei anderen Frauen sogar bis zu 1-2 Jahren dauern.
Wie sicher ist Stillen als Verhütungsmittel?

Wie du aus den vorangegangenen Abschnitten entnehmen kannst, ist die hormonelle Situation bei jeder Frau individuell unterschiedlich. Daher kann hier natürlich keine generelle Aussage getroffen werden.

Die Sicherheit oder Zuverlässigkeit von verschiedenen Verhütungsmitteln wird mit dem sogenannten Pearl-Index beschrieben. Dadurch ist auch eine Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Methoden möglich. Wie wird der Pearl-Index berechnet?

100 Frauen verwenden eine Verhütungsmethode ein Jahr lang und haben regelmäßig Geschlechtsverkehr. Der Pearl-Index ist nun die Anzahl der Frauen, die in diesem Zeitraum ungewollt schwanger geworden sind. Der Pearl-Index ohne Verhütung wird meist mit etwa 80 angegeben (also wenn 100 Paare ein Jahr lang ungeschützten, regelmäßigen Geschlechtsverkehr haben, werden 80 davon innerhalb eines Jahres schwanger), der eines Kondoms mit 2-12.

Wie ist nun der Pearl-Index von Stillen?

Solange eine Frau ausschließlich stillt, ist die Fruchtbarkeit deutlich reduziert. Wie sicher nun ausschließliches Stillen eine erneute Schwangerschaft verhütet, wird kontrovers diskutiert.

Für die Methode der Still-/ Laktationsamenorrhoe werden meist folgende Voraussetzungen genannt: 

  • Es muss ausschließlich oder fast ausschließlich gestillt werden (fast ausschließlich erlaubt die gelegentliche Gabe von Supplementen). Meist wird gesagt, dass der Abstand zwischen den Stillmahlzeiten am Tag nicht länger als 4 Stunden betragen sollte. Nachts kann dies auf etwa 6 Stunden verlängert werden (insgesamt mindestens 5 Stillmahlzeiten/24 Stunden). Die Stilldauer sollte jeweils mindestens 10 Minuten betragen. 
  • Es darf nicht zugefüttert und kein Schnuller oder Saugersatz verwendet werden.
  • Sie gilt erst ab dem 56. Tag nach der Geburt.
  • Du darfst noch keine Menstruation seit der Geburt gehabt haben. Sobald eine Periode einsetzt, ist von einer normalen Fruchtbarkeit auszugehen, auch ausschließliches Stillen hat dann keinen sicheren Empfängnisschutz.
  • Die Methode kann bis sechs Monate nach der Geburt angewendet werden. 

In Studien wurde hierfür ein Pearl-Index von etwa 2 beschrieben. 

Welche Verhütungsmethode passt zu mir?

Es ist ganz wichtig zu betonen, dass die Wahl der Verhütungsmittel immer eine individuelle Entscheidung darstellt. Ob die beschriebene Laktationsamenorrhoe-Methode eine ausreichenden Empfängnisschutz bietet, ist auch unter Ärzten umstritten. Ich finde es wichtig, dass Frauen nach der Geburt über die hormonellen Vorgänge und die damit verbundenen Einflüsse auf den Zyklus informiert werden. Im Alltag werden die Kriterien, die für die Laktationsamenorrhoe-Methode gefordert sind (s.o., Stillmahlzeiten, Dauer, etc.), möglicherweise nicht erfüllt werden können, sodass für eine sichere Verhütung auf andere Methoden zurückgegriffen werden sollte. Die Wahl des Verhütungsmittels solltest du mit deiner betreuenden Frauenärztin/Frauenarzt oder Hebamme in Ruhe besprechen. 

Welche weitere Verhütungsmethoden nach der Geburt und in der Stillzeit zu Verfügung stehen, werden wir in einem weiteren Beitrag in den nächsten Wochen erläutern.

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6 Kommentare

  1. September 4, 2019 / 6:45 pm

    Seid vorsichtig 🙃
    Bei meinem vierten Kind (schnullerfrei) hatte ich trotz Vollstillens mindestens alle drei Stunden ohne jegliches Zufüttern gut drei Wochen nach Versiegen des Wochenflusses wieder meine Tage.
    Somit ist die Wahrscheinlichkeit, dass in den drei Wochen Pause ein Eisprung stattgefunden hat sehr groß.
    Habe dazu auch einen Blogpost geschrieben, um davor zu warnen das Stillen auch mit den oben genannten Faktoren als Verhütungsmittel zu klassifizieren. Bei den ersten drei Kindern hat es viel länger gedauert, bis die Menstruation wieder eingesetzt hat. Man kann sich also auch nicht drauf verlassen, dass es bei einem weiteren Kind wieder so ist wie bei den vorigen.
    Wer keine kurze Geburtenfolge möchte, aber auch auf Hormone während der Stillzeit verzichten möchte, sollte auf eine Barrieremethode wie Kondom oder Diaphragma zurückgreifen 😊

    • HebAnja
      September 12, 2019 / 8:01 am

      Danke für deinen ausführlichen Kommentar. Es ist immer sehr interessant, von persönlichen Erfahrungen zu diesem Thema zu hören.

  2. Silvia
    August 18, 2020 / 8:04 pm

    Ich bin wohl ein ziemliches Prolaktinsensibelchen. Zumindest kam meine Periode bislang immer erst über zwei Jahre nach der jeweiligen Geburt und die Ovulationstests, die ich nach dem ersten Geburtstag des Kindes begann nahezu täglich (anfangs töglich, nach ca. sieben Monaten dann etwas vernachlässigt) durchzuführen blieben blande; Schleimmuster und MuMu-Öffnung deuteten ebenfalls nicht auf Eisprung hin. Folglich gehe ich wirklich davon aus, dass ich knapp über zwei Jahre lang unfruchtbar bleibe. Es klappt dann zwar immer ohne abstillen zu müssen und die Periode vermisse ich auch in keinster Weise (Schmerzen, niedergedrückte Stimmung etc. sind nichts, was ich erstrebenswert finde 😉 ), aber wenn noch Kinderwunsch besteht, ist es schon verdrießlich, immer so lang warten zu müssen. Vorzeitiges Abstillen, also vor Ende der WHO-Empfehlung, kam nicht in Frage, weil ich mich sonst bei gesundheitlichen Auffälligkeiten der Kinder immer gefragt hätte, ob es vielleicht an meiner Bequemlichkeit gelegen hätte. Wollte ich nicht und ich wollte eben auch den bestmöglichen Start für die Kinder. Also musste ich ausharren. Typische „Tricks“ wie weniger stillen, 24 Stunden weg sein und nicht stillen, nachts nicht mehr stillen etc. brachten da übrigens keinen Erfilg in Form eines Eisprungs. Bin gespannt, ob uns noch ein viertes Kind vergönnt sein wird…

    • HebAnja
      September 3, 2020 / 4:09 pm

      Liebe Silvia,
      vielen Dank das du deine Erfahrung hier mit uns teilst. Wir drücken dir die Daumen, dass es mit einem vierten Wunder bei euch ganz bald klappt.

  3. Noir
    Dezember 27, 2020 / 9:27 am

    Ich frage mich, warum geschrieben wird, dass diese Methode nur bis zum sechsten Monat geeignet ist? Die Hormone dürften doch durch das volle Stillen genauso sein wie vor dem sechsten Monat, oder? Ich stille im achten Monat weiterhin voll, daher meine Frage.

    • HebAnja
      Januar 12, 2021 / 7:47 pm

      Hallo,
      es wird empfohlen, spätestens ab dem 7.LM mit der Beikost zu beginnen. Dadurch werden die Stillpausen in der Regel länger und die Stillmahlzeiten über kurz oder lang weniger. Daher die pauschale Zeitangabe :).

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